Freitag, Februar 1

Biographien aus der Tangogeschichte - 4 - Julio De Caro

Julio De Caro, eine der wichtigsten Figuren der Tangogeschichte, wurde 1899 als zweiter Sohn von zwölf Kinder einer Italienischen Familie in Buenos Aires geboren... Ein begabtes Kind, das dann mit seinem Orchester ab 1924 eine tragende Rolle in der instrumentellen Tangomusik spielte, die – nach Julio Nudler - nur mit dem Einfluss von Carlos Gardel auf den Tangogesang verglichen werden kann.

Sein Vater, Jóse, war der Leiter des Konservatoriums vom Teatro della'Scala de Milano und er kümmerte sich sowohl um die musikalische Ausbildung seiner Söhne, als auch darum, dass seine Kinder studieren. Es war sein Wunsch Julio Klavier und sein Bruder Francisco Geige spielen lernten.

Was hält denn er in der Hand?*
Ein erster Verrat der beiden Brüder am Vater war der Tausch dieser beiden Instrumente...

Nachdem Julio 1917 im Palais de Glace (in Recoleta) Roberto Firpo beim Canyengue-Spielen gehört hatte, stand der zweite Verrat fest: die Brüder haben dann angefangen, Tango (bzw. im Tango-Orchester) zu spielen.

Als der Vater dies erfuhr und auch, dass Julio sich weigerte, Medizin zu studieren, wie sein Vater von ihm erwartet hatte, warf er den 18-jahrigen Julio aus dem Haus und Francisco folgt seinem Bruder.

In seinem ersten Orchester, gegründet 1924, kommen drei De Caro Brüder zusammen: Julio und Emilio an den Geigen, Francisco am Klavier und Unterstützung von Luis Petrucelli (der kurze Zeit später von Pedro Laurenz ersetzt wurde) und Pedro Maffia an den Bandoneóns.



Er hat 1924 auch seine erste Aufnahmen (einschließllich zwei eigner Kompositionen - "Todo corazón" und "Pobre Margot" - ) gemacht und in den folgenden dreißig Jahren hat er mehr als 400 Lieder aufgenommen. Der Großteil dieser Aufnahmen sind aus den Jahren von 1924 bis 1932 und bei dieser Gelegenheit will ich sagen, dass ich persönlich die Tangos aus den späten 20er und frühen 30er sehr gerne höre und zu ihnen mit großem Spaß tanze... :)

Sein großes Geschick ist allerdings, wie er das Volkstümliche und das Alltägliche mit seinem einzigartigen Fingerspitzengefühl mit der „hohen“ Kunst verbindet.. Das ist das "Provokative" in seiner Musik, wie es von R.F.Thompson treffend so beschrieben wurde. Diese große Kunst kann man am Besten durch sein Meisterwerk 'mala junta' (1927) erfahren..

Und De Caros 'Bodeo' (1928), z.B., verkörpert nach Oscar Del Priore die musikalische Evolution, die von der De-Caro-Schule zu dieser Art von Musik gebracht wurde. Ich glaube, dass ist es, was R.F.Thompson mit diesen Worten meinte: „a composer emerged, Julio de Caro, who transformed the musical order“** und sein Ruf eilte De Caro schon 1928 international voraus...

Burak



Strohgeige
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Das Instrument

Das ist eine Strohgeige, die nach ihrem Erfinder Johannes Matthias Augustus Stroh (1828-1914) so benannt wurde, aber die auch als Phonogeige oder Cornet-Violine bekannt ist. Die "normale" Geige war für die frühe Aufnahmetechnologien viel zu leise. Die Strohgeige war dann eine Lösung in den 20ern, um ihren Laut stärker zu machen. Julio De Caro wurde 1925 mit diesem Instrument vom U.S.Amerikanischem Jazz-Musiker Paul Whiteman bekannt gemacht und er spielte es in den 20ern.

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Then something happened: a composer emerged, Julio de Caro, who transformed the musical order. He kept tango's rhythm but deepened its melody with an inimitable blend of symphonic and vernacular.

With a populist touch that honored buglers and organ-grinders and once even music boxes, he took pleasure both in European high culture and in Buenos Aires street textures. De Caro saw no contradiction in pleasing Italians who wanted bel canto and creoles who wanted a beat. He played the tango with well-trained performers who could read and write music. Many were Italo-Argentine, familiar with Rossini as well as milonga.

De Caro's accomplishment, blending concert and street, was extremely provocative.

Robert F. Thompson, „Tango, the art history of love


1 Kommentar:

Joachim hat gesagt…

Lieber Burak,
ersten finde ich, dass deine Liebe zur Musik und dein Bemühen, darüber in der Szene zu schreiben, ein Echo verdient.
Zweitens lese ich deine Gedanken gerne, muss sie ja nicht immer teilen, aber sich damit auseinanderzusetzen ist dann eine Freude.
Drittens: Über Julio de Caro zu lesen und dann auch in die Titel hineinzuhören ist anregend und spannend. Ich denke ja generell, dass ( häusliches ) Denken und (auswärtiges ) Tanzen eine feine Ergänzung sind. Die Geschichte von Julio de Caro und seinen Brüdern ist wohl auch sozial interessant. Als Kinder gut situierter Eltern die vorgegebene Karriere verlassen und dem Tango verfallen, dabei aber wieder in gut situierte Milongas und Auftritte hineingleiten ist interessant zu bedenken. Für mich auch deshalb, weil dies eine widersprüchliche Verbindung zu sein scheint hinsichtlich seiner musikalischen Leistung, den Tango innovativ zu verbinden, zu entwickeln in der Verbindung der europäisch-italienischen und der afro-südamerikanischen Tradition. Das genau diese Mischung den Erfolg bringt, finde ich bemerkenswert. Ich hätte dazu gerne weiter Infos oder Kommentare der Tangofreunde, die darüber besser Bescheid wissen als ich. Ich finde die Verbindung gut wieder in "El candombe", aber vielleicht ist mein Hören und Wissen da quer. Wer hat weitere Ideen?
Eine Bitte an dich: Kannst du Links zum Hören deiner Musikbeispiele einbinden, z.B. über Spotify? Das würde das hörende Lesen erleichtern.
Und abschließend noch der Verweis auf Michael Lavocah "Tango Stories:Musical Secrets". Dort ist das Kapitel 20 Julio de Caro gewidmet und heißt "tango is music".
Dir danke ich für deine Energie und die guten Impulse!
Joachim, der ältere Herr ;-)